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Die gesamte spanische Öffentlichkeit war im vergangenen Herbst plötzlich wieder mobilisiert. Das weit rechts stehende Colectivo de Víctimas del Terrorismo (Verband der Terrorismusopfer), das schon öfter ein Auftrittsverbot für den Musiker verlangt hatte, bezeichnete den Auftritt als «anstössig». Und die christdemokratische baskische Autonomieregierung von Ministerpräsident Imanol Pradales kündigte an, man werde von nun an vor Gefängniskonzerten eine «Selbstverpflichtungserklärung zur Achtung von Werten» verlangen. Was war geschehen?
Fermin Muguruza, baskischer Musiker und mittlerweile 61 Jahre alt, hatte im Gefängnis von Martutene, einem Vorort von San Sebastián, ein Konzert gegeben. Bei dieser Gelegenheit hatte er auch den legendären Ska-Song «Sarri, Sarri» gespielt, mit dem seine Band Kortatu Mitte der achtziger Jahre berühmt geworden war. Der Song feiert den Ausbruch zweier Eta-Mitglieder aus dem Gefängnis von Martutene. 1985 waren der Schriftsteller Joseba Sarrionandia und der Abgeordnete Iñaki Pikabea bei einem Knastkonzert in einem Lautsprecher versteckt geflohen und danach Jahrzehnte lang nicht gefasst worden.
Die Ausbruchshymne, die bis heute auf kaum einem baskischen Dorffest fehlt, steht emblematisch für die künstlerische Laufbahn Muguruzas. Der Musiker, der aus der Arbeiter:innenstadt Irún an der spanisch-französischen Grenze stammt, hat sich immer als Teil der radikalen Linken begriffen. Oder wie er es 2014 in einem Interview mit der Madrider Wochenzeitung «Diagonal» ausdrückte: «Ich habe nie aufgehört, zur ‹Kulturfront› zu gehören.»
Aufgewachsen ist Muguruza in einem Viertel Irúns, das den Namen der sowjetischen Hauptstadt trug: Mosku. Als Jugendlicher erlebte er, wie grosse Teile des industriell geprägten Baskenlands in eine tiefe Krise stürzten. Die Stahl- und Werftindustrie der Region wurden abgewickelt, während der Kampf zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und dem Zentralstaat eskalierte. Anfang der Achtziger verübte die Untergrundorganisation Eta fast täglich Anschläge auf Militärs und Polizei, und die in Madrid regierenden Sozialdemokrat:innen reagierten mit dem Aufbau rechtsextremer Todesschwadronen, die baskische Linke entführten und ermordeten.
In dieser aufgeheizten Stimmung suchte Muguruza nach einem musikalischen Ausdruck für die Jugendrevolte und fand ihn wie viele seiner Generation im Punkrock. Gemeinsam mit seinem Bruder Iñigo und zwei weiteren Mitstreitern gründete er 1984 die Band Kortatu, die sich an The Clash orientierte und zum Motor des «rock radikal vasco», des radikalen baskischen Rocks, wurde. Charakteristisch für die Band war, dass sie sich, abgesehen von Punk und Ska, auch von der baskischen Folklore inspirieren liess – mal mit Akkordeon, mal mit traditionellem baskischem Reimgesang.
Ende der achtziger Jahre orientierte sich Muguruza neu. Unter dem Einfluss von Public Enemy versuchte er sich mit seinem neuen Projekt Negu Gorriak («harte» oder «rote Winter») in baskischsprachigem Rap. Die politische Mission blieb. Negu Gorriak spielten Solidaritätskonzerte vor Hochsicherheitsgefängnissen, beschimpften die baskische Polizei und warfen einem hochrangigen General der Guardia Civil in einem berühmt gewordenen Lied vor, eine Tonne Kokain unterschlagen zu haben.
Der Vorwurf führte 1993 zu einer Anklage gegen die Musiker, die ihnen finanziell fast das Genick gebrochen hätte. In einem ersten Verfahren wurden sie zu einer Geldstrafe von fünzehn Millionen Peseten (etwa 100 000 Franken) verurteilt. Erst nachdem der klagende Polizeikommandant selbst wegen des «Verschwindenlassens» von zwei jungen Linken zu siebzig Jahren Haft verurteilt worden war (die er allerdings nicht absitzen musste), wurden Negu Gorriak freigesprochen. Offenbar hatte die Guardia Civil für ihren schmutzigen Krieg gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung tatsächlich Geld aus dem Drogenhandel eingesetzt.
Wegen seiner politischen Haltung hatte Fermin Muguruza in den meisten spanischen Städten Auftrittsverbot. Obwohl er in ganz Europa Konzertsäle füllte und eng mit dem populären französischen Musiker Manu Chao kooperierte, sorgten die zentralspanischen Medien und Veranstalter dafür, dass seinen Bands kein grosser kommerzieller Erfolg beschieden war.
Dabei wurde Muguruza nach dem Ende von Negu Gorriak 1994 moderater im Auftritt. Er suchte nicht länger die Nähe zu politischen Organisationen, sondern verstand sich eher als Internationalist und Vermittler Schwarzer Musik ins Baskenland. So arbeitete er mit karibischen und lateinamerikanischen Künstler:innen zusammen, um der traditionell an Punk und Hardcore orientierten Szene zu Hause neue Einflüsse zu eröffnen. So entstanden die Alben «FM 99.00 Dub Manifest» (2000) und «Euskal Herria Jamaika Clash» (2006) und 2015 der Film «Nola? Irun Meets New Orleans», eine Hommage an die Musikszene der Schwarzen Stadt am Mississippi.
Dabei wurde Muguruza nach dem Ende von Negu Gorriak 1994 moderater im Auftritt. Er suchte nicht länger die Nähe zu politischen Organisationen, sondern verstand sich eher als Internationalist und Vermittler Schwarzer Musik ins Baskenland. So arbeitete er mit karibischen und lateinamerikanischen Künstler:innen zusammen, um der traditionell an Punk und Hardcore orientierten Szene zu Hause neue Einflüsse zu eröffnen. So entstanden die Alben «FM 99.00 Dub Manifest» (2000) und «Euskal Herria Jamaika Clash» (2006) und 2015 der Film «Nola? Irun Meets New Orleans», eine Hommage an die Musikszene der Schwarzen Stadt am Mississippi.
Immer wieder probierte sich Muguruza auch in neuen Rollen aus: Bereits Anfang der neunziger Jahre hatte er die Produktionsfirma Esan Ozenki gegründet, die Musiker:innen aus verschiedenen Kontinenten zusammenbrachte und unter anderem die Schweizer Riot-Girls-Punkband Wemean produzierte. Doch er interessierte sich auch für andere Genres der Popkultur. Mit dem Schriftsteller Harkaitz Cano schrieb er 2014 den Comic «Black Is Beltza», der einige Jahre später auch als Animationsfilm in die Kinos kam und die Geschichte einer baskischen Folkloregruppe im Schwarzen New York der sechziger Jahre erzählt.
Obwohl sich Muguruza als Kulturproduzent zu etablieren versuchte, holte ihn die Politik immer wieder ein. 2003 wies er bei der Verleihung eines Musikpreises in Madrid darauf hin, dass die Tageszeitung «Egunkaria», das einzige rein baskischsprachige Blatt, verboten und ihr Chefredaktor gefoltert worden war – und wurde dafür vom progressiven spanischen Kulturpublikum ausgebuht. Ein Jahr später verbot die Regionalverwaltung Madrid ein Konzert, das er zum zehnten Jahrestag des zapatistischen Aufstands in Mexiko geben wollte. Er besuchte den inhaftierten baskischen Politiker Arnaldo Otegi im Gefängnis und gehörte zu den Initiatoren der Kampagne «Free Them All» zur Freilassung der baskischen Gefangenen, die auch von Angela Davis unterstützt wurde.
Über Muguruzas Sicht auf die Weltlage kann man streiten. Als beispielsweise vor einigen Monaten der Chef der Hisbollah, Hassan Nasrallah, von der israelischen Regierung ermordet wurde, feierte er den nationalkonservativen libanesischen Rechten bei X als Freiheitskämpfer. Dabei hat die Hisbollah vermutlich mehr mit dem rechtskatholischen spanischen Opus-Dei-Orden gemeinsam als mit der baskischen Linken.
Ausser Frage stehen zwei Verdienste des baskischen Musikers. Zum einen hat er über Jahrzehnte den Soundtrack für eine politische Feierkultur geliefert, wie es sie nirgendwo sonst in Europa gibt. Zum anderen hat er den baskischen Jugendbewegungen internationalistische Werte vermittelt. Dass sich so viele Jugendliche im Baskenland eher mit Schwarzen Migrant:innen identifizieren als mit den Nachbar:innen in der EU, ist nicht zuletzt auch Muguruzas Musik geschuldet.
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